Selbstregulation - souverän bleiben
Wann gelingt Selbstregulation - ein Analysetool.
Selbstregulation – souverän bleiben, wenn’s brennt
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegt unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“
(Viktor E. Frankl)
Viktor Frankl beschreibt damit jene Fähigkeit, die im Führungsalltag über Wirksamkeit oder Überforderung entscheidet: Selbstregulation.
Wer sich selbst nicht steuern kann, wird gesteuert – vom Tempo anderer, von unausgesprochenen Erwartungen, von seinen eigenen mentalen Störungsframes. Selbstregulation ist keine Theorie aus Coachingseminaren. Sie entscheidet darüber, ob man in wichtigen Momenten präsent bleibt oder innerlich flüchtet. Ob man führt oder nur noch reagiert. Ob man seinen Alltag lebt oder in ein dunkles Loch fällt.
Innere Konflikte entstehen nicht dadurch, dass etwas geschieht, sondern dadurch, was es in uns auslöst: ein beschleunigter Puls, ein beklemmendes Gefühl oder der Drang, sofort zu handeln. In diesen Millisekunden übernimmt nicht die Vernunft das Kommando, sondern unser limbischen System, die Amygdala (Corpus amygdaloideum). Das Nervensystem schaltet auf Reflex. Diese Reflexe waren früher wichtig, damit der Mensch in der Natur überleben konnte. Heute sind sie selten gute Ratgeber.
Je länger Menschen führen, desto vertrauter werden ihnen diese Momente. Ein kritischer Blick von oben, eine ungeduldige Nachfrage, ein eskalierender Termin – und plötzlich ist man nicht mehr im Hier und Jetzt, sondern im Reflex. Manche greifen an, manche ziehen sich zurück, manche funktionieren weiter, als sei nichts. Das sind Gewohnheiten.
Selbstregulation beginnt dort, wo man diese Gewohnheiten aufdeckt. Das bedeutet nicht, gleichgültig zu werden oder unbeeindruckt zu bleiben. Es bedeutet, die innere Reaktion so weit zu entschleunigen, dass eine Wahl entsteht: zwischen Aktion und Impuls, zwischen Klarheit und Überreaktion, zwischen Führung und Selbstverlust.
Für Führungskräfte 45+ ist das kein Luxus, sondern ein Stabilitätsfaktor. Mit zunehmender Verantwortung wachsen die Erwartungen – und damit die Wahrscheinlichkeit, dass man fremdbestimmt wird. Die eigene Regulation wird zur unsichtbaren Kompetenz, die entscheidet, ob man im Sturm die Richtung hält oder sich vom Wind treiben lässt. Souveräne Selbstregulation.
Selbstregulation wächst aus Routinen, die das Nervensystem regulieren – Schlaf, klare Prioritäten, bewusste Pausen. Sie entsteht aus mentaler Hygiene: der Fähigkeit, unsere mentalen Störungsframes aufzulösen. Aus emotionaler Reife: der Einsicht, dass nicht jeder Reiz ein Signal ist und nicht jede Spannung eine Handlung verlangt.
Wer sich als Führungskraft selbst regulieren kann hat die Fähigkeit, im Gespräch präsent zu bleiben, auch wenn der Ton sich verhärtet. Eine Entscheidung zu treffen, obwohl Druck aufgebaut wird. Oder bewusst nicht zu reagieren, wenn alles nach Reaktion ruft.
Man bleibt handlungsfähig, wenn andere es nicht mehr sind.
Mathias Kühni
Executive Coaching | equilibra